Montag, 23. August 2010

Oktoberfest 1832 - Das Das Fest auf der Wiese

Oktoberfest - Die Wiesn in München
Am ersten Tag des Jahres ergreift der Kaiser von China den Pflug und ziehet selbst damit einige Furchen, um den Stand der Ackerleute hochzuehren und ihre große Nützlichkeit vor den Augen seines Volkes anzuerkennen; an einem Tage im Herbste erscheint der König von Bayern auf freiem Felde, um — als Fürst eines größtentheils Ackerbau treibenden Volkes — vor den Augen seiner Unterthanen eine ahnliche Handlung auszuüben, das stille Verdienst zu belohnen, Bestrebungen zu ermuntem, nützliche Thätigkeit zu beleben und dem redlichen Fleiße eine laute, glänzende Anerkennung zu verschaffen.

Diese heiter-festliche Handlung, welcher es an imponirendem Glanze keineswegs fehlt, ist es eben, die dem ganzen Cyklus von Lust und Frohsinn den Charakter eines großen Volksfestes verleiht , das im übrigen Vaterlande wohl nirgends anzutreffen seyn dürfte.

Trotz eines ungünstigen Wetters füllte sich die weite Theresiawlese mit einer ungefeuern Volksmenge. Kundige Leute haben ihre Zahl auf 80,000 angeschlagen. Die Terassen, welche die Wiese im Südwesten einschließen, waren übersäet, und in den Hütten und bei den ausgestellten Sehenswürdigkeiten wogte der Haufe, der durch lange Züge aus der Stadt, die sich von verschiedenen Seiten der Wiese näherten, noch vergrößert wurde.

Oktoberfest 1832 - Szenerie und Vorfest

Oktoberfest in München 2010 - Auf gehts zur Wiesn
Vor dem Sendlinger Thore, seitwärts von der Straße, die nach Italien führt, liegt eine weite Wiese, von einer langen, mäßigen Hügelkette eingefaßt, die zum Theil in Terassen abgetheilt, der Menge einen willkommenen Stehpunkt zum Ueberblicken des Ganzen gewährt. Gegen Süden erheben sich ganz nahe einige Kirchdörfer, mit weißen Häusern und rothen Dächern, darüber hinaus eine ausgedehnte Strecke waldiger Höhen, die nun schon von herbstlichen Tinten gefärbt werden, und über Alles dies ragen die Alpen empor, von dem malerischen Wendelstein bis zur riesigen Zugspitz, dazwischen die Benedictenwand und das dunklere bayerische Vorgebirge, das, den eisgekrönten Fernern Tyrols den Blick in's Flachland recht nachbarlich zu vergönnen scheint. Die nebeligen Höhen links vom Wendelstein gehören zu Salzburgs romantischem Bergbezirke und kundige Leute wissen, den Untersberg, wo die Mährchenwelt blüht, und den Watsmann, von dem die Schauersage im Volke lebt, an hellen Tagen leicht herauszufinden. Von der andern Seite ist es München, in erheblicher Ausdehnung, das sich mit seinen Thürmen und den stattlichen Gebäuden ringsum, in deren Kellergeschoßen die Brauer ihren enormen Biervorrath aufbewahren, und wirthlich den Städtern Thür und Thor dazu öffnen, den Blicken zeigt.

Das Oktoberfest im Jahre 1832

Bierzelt auf dem Oktoberfest 2010
In unserm Vaterlande sind eigentliche Volksfeste selten. Die Zeit der Weinlese, den sogenannten „Herbst" am Rhein, kann man nicht wohl dazu zählen. Der Himmel läßt den Wein reif werden und das Volk trinkt sich einen Rausch — das ist Alles. In Hamburg ist das Waisengrün, seiner Intention nach, ein schönes Fest. Es gewährt einen eigenen Anblick, wenn die mit Kränzen geschmückten Waisenkinder durch die alte Stadt herum ziehen, und überall, noch ehe der Zug sich naht, die Einwohner ganzer Straßen vor den Thüren sich sehen lassen, um die milde, oft sehr bedeutende Gabe in die Büchse zu werfen und nebenbei auch noch diesem oder jenem Bübchen oder Madchen, in reichliches Geschenk in die Hand zu drücken. Aber mit der Fröhlichkeit, mit der Volksfreude, ist es dabei so gut wie gar nichts. Die armen, den ganzen Tag herumgehetzten Kinder werden, von Schweiß und Staub bedeckt, in ein Zelt vor dem Thor geführt und von Seiten der Stadt bewirthet; wobei sich's einige Bürger in den umliegenden Garten auch wohl seyn lassen.